zu gast in der tele-börse

"dem lutz sein meinung", omni nr.4, februar 2002


 

"Vor ein paar Monaten habe ich nicht daran geglaubt: Aber ich habe Karriere gemacht." Keine Angst, das ist natürlich nur ein Zitat, aus dem Fernsehen, aber ich mache jetzt auch ernsthaft Karriere, mit n-tv. Ich schaue nur noch n-tv, die sind ganz anders, viel erfolgreicher. Sogar das Wetter ist da erfolgreich, weil das ist kein normales Wetter, sondern Business-Wetter. Wen interessiert schon, ob's in Karlsruhe kalt ist? Addis Abbeba, sonnig, 24 Grad. Regnet nicht in Äthopien, Gott sei Dank.

"Otto Versand steht für Versandhandel", höre ich. Stimmt. "Infineon hat weniger Gewinn gemacht als erwartet, deshalb fallen die Kurse". Logisch. "BASF hat mehr Gewinn gemacht als erwartet, deshalb fallen die Kurse." Auch logisch. Hoffentlich kommt heute nochmal "Intelligent investieren mit Zertifikaten". Oder "Von der Riester-Rente profitieren - private Altersrente mit VHS-Video", hab ich nämlich beides nicht ganz kapiert. Muss aber einfach sein, wenn jetzt sogar Tschibo Rentenversicherungen verkauft.

Erstmal Nachrichten. Eine Frau mit einem Topf hartgewordener Spaghetti auf dem Kopf liest dieselben Naturkatastrophen wie auf andern Sendern vom Teleprompter ab. Will ich gar nicht wissen, mit Vulkanausbrüchen verdient kein Mensch Geld. Oder ist das auch "eine Nische im Dschungel innovativer E-Commerce-Ideen"? Da überzeugt gerade die Firma "black socks". Die verkauft schwarze Socken. Faszinierend. Der Service richtet sich an "business-orientierte Männer zwischen 24 und 44, die keine Zeit haben, Socken zu kaufen" und deren anscheinend nicht business-orientierte Frauen, Stichwort "Geschenkidee". Die werden sich businessmäßig freuen. Auf jeden Fall gewinnt der Schlipsträger von "black socks" für seine E-Commerce-Idee ein "Ticket zum Erfolg". Da steckt "ganz schön Power drin", sagt die Moderatorin, und ich bin beeindruckt. Socken - da muss ich auch E-Commerce machen.

Denn "die Zeiten haben sich geändert", stellt auch die Werbung für den neuen Toyota Corolla fest. Astrid Brauer traf deshalb drei Power-Frauen aus der Fonds-Branche. Die haben alle Erfolg, sagen sie, weil es egal ist, dass sie Frauen sind, weil sie Erfolg haben. Und Iris Albrecht von Fondskapital in München rechnet mit dem Aufschwung, weil niemand mit dem Aufschwung rechnet und es immer anders kommt als man denkt. So einfach ist das.

Aber dann die Horrormeldung: Erst 10% der Chinesen haben ein Handy. Und wer ist schuld? Gerhard Schröder. Und als wäre das nicht genug: Die Russen trauen ihren Banken nicht mehr. Schuld: Gerhard Schröder. Und jetzt? Steuern senken, die sind nämlich zu hoch, und rate mal, wegen wem.

Ein offensichtlich sturzbetrunkenes Großväterchen namens Erich Böhme salbadert irgendwas von Umdenken und muss dabei mit einem solchen Schmalbacken wie Friedrich Merz in einem Studio sitzen. Da hätte ich mich auch besoffen. So will ich nicht enden.

Ich bin geschockt und habe abgeschaltet. Ich muss wohl noch viel lernen. Ein Hoffnungsschimmer: Carsten Janzing von Hornblower-Fischer ist morgen zu Gast in der Tele-Börse. "Auf Wiedersehen, D-Mark. Willkommen, neue Träume".

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(c) lutz frommberger, februar 2002

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