erstkontakt mit erstsemestern

"dem lutz sein meinung", omni nr.7, dezember 2002

in der druckausgabe des omni ist leider eine unkorrigierte vorversion erschienen. die version auf der omni-webseite ist sogar noch älter und deutlich anders. richtig wäre allerdings diese fassung gewesen.


 

Ich bin ein guter Mensch. Ich habe ein Herz aus Gold und halte für jeden ein warmes Wort oder einen mitfühlenden Rat bereit. Ich bin bescheiden und demütig, und ich helfe, wo ich nur kann. Deshalb mag ich es auch besonders, wenn jeden Oktober die Erstsemester an unsere Uni kommen und ich sie mit meiner Unterstützung in ihrer schwierigen Anfangszeit beglücken kann. Und gleichzeitig ist es ein Geben und ein Nehmen - was lernt man nicht alles von unseren neuen Kommilitoninnen und Kommilitonen?

Leider war ich dieses Jahr nicht mehr so viel an der Uni, und so konnte meine Hilfe nicht einer breiten Masse zuteil werden. Es waren nur wenige Begebenheiten, die mich in Kontakt mit unseren Nachwuchs-Studis brachten. Zum Beispiel der Geoökologe, der sich bei mir, vor der Mensa stehend, nach der Mensa erkundigt hat. Dem habe ich natürlich geholfen und gesagt, er soll jemand anders fragen. Das war sehr nett von mir, denn ich hätte ihn auch auslachen können - und vielleicht hätte er das nicht gut verkraftet. Wir waren ja schließlich alle mal so. Jung. Und dämlich. Oder die Architektin, die allen Ernstes nach Sprachkursen gefragt hat. Der habe ich direkt mal eine Studienplatztauschbörse emfohlen. Sprachkurse. In Karlsruhe. Da kann sie ja gleich zur Volkshochschule gehen, kostet genauso Geld und ist genauso für'n Arsch.

Aber so richtig helfen konnte ich dem Informatiker, der von mir wissen wollte, wo man den so hingeht, wenn man "mal so richtig Spaß haben" will. Also ich kann mir viel übles Zeug vorstellen, aber was dem so richtig Spaß macht, will ich lieber gar nicht wissen. Also habe ich ihm anheim gestellt, dass er besser nicht dahin geht, wo ich hingehe. Denn so wie er aussieht, würde er mir sofort so richtig den Spaß verderben, wenn er da aufkreuzt. Den Rat hat er dankbar angenommen. Und weil er doch ein bisschen traurig ausgesehen hat, habe ich ihm direkt noch meine kaputte Netzwerkkarte und ein Arlt-Prospekt geschenkt. Da kann er mit seinem Kumpels sicher ein paar nette Abende mit verbringen. Falls er überhaupt Kumpels hat. Aber wenn der irgendwo welche finden sollte - dann hier.

Und ich habe auch selbst wieder etwas gelernt von unseren neuen Kommilitoninnen und Kommilitonen. Und zwar von diesem Rindvieh am Cola-Automaten. Der hat mir erstens ausgiebig demonstriert, dass die Dinger kein Zeitlimit haben, und zweitens, dass man auch die Karte erst nach der Auswahl einführen kann - und es trotzdem funktioniert. Das wusste ich nicht. Echt nicht. Seitdem mache ich das auch so, jeden Mittag: erst wählen, dann die Karte rein. Das ist total was Neues, jeden Tag wieder spannend, und diese unerwartete Abwechslung trägt mich hoffentlich durch das triste Wintersemester. Bis die neuen Erstis kommen und mein Herz erwärmen mit dem dankbaren Lächeln, das meine weisen Ratschläge auf ihr Gesicht zaubern.

.

(c) lutz frommberger, dezember 2002

schreibt...

heim...