rinder statt rüttgers

usta-magazin 03/00, mai 2000


 

Rinder statt Rüttgers

Die CDU schürt bewusst die AusländerInnenfeindlichkeit in Deutschland

In den letzten Tagen kam die Shell-Studie zur Entwicklung der Jugend in Deutschland heraus. Durch die Medien geisterte, dass dabei herausgekommen sei, dass ein Viertel der deutschen Jugendlichen ausländerfeindlich sei. Das war zwar eine Ente, weil ein paar übereifrige JournalistInnen die Statistiken nicht recht lesen konnten. An dem Phänomen einer latent existenten Feindlichkeit gegenüber Fremden in diesem Land ändert dies allerdings nichts. Sie ist vorhanden und vielfach wahrnehmbar: beim Zuhören in der Straßenbahn oder auf Partys der Eltern, beim Mitlesen in InternetDiskussionsforen, beim Lesen der BILD-Schlagzeilen.

Offene Fragen bei der GreenCardDebatte

Jüngster Auslöser war die Green-Card-Idee der Bundesregierung, nach der sowas um die 30.000 ausländische IT-SpezialistInnen in Deutschland eine befristete Aufenthaltsgenehmigung erhalten sollen. Dass dies viele Fragen aufwirft, ist klar. Wie passt diese Öffnung mit dem kaum noch existenten Grundrecht auf Asyl zusammen? Wie kann man ernsthaft denken, diese Aufenthaltsgenehmigung befristen zu können? Was ist ein IT-Spezialist und was nicht? Kommen wirklich Spitzenkräfte oder BilliglohnprogrammiererInnen? Welche Konsequenzen zieht die Bildungspolitik aus dem erkannten Manko? Usw.

Eine große "Volkspartei" in Deutschland stellt nur eine Frage: Wie komme ich an mehr WählerInnenstimmen bei der nächsten Landtagswahl? Und prompt zaubert sie ein plattes Motto aus der Schublade: "Kinder statt Inder", Pumuckl lässt grüßen.

Für die CDU sehen die Umfragen schlecht aus

In Nordrhein-Westfalen ist Wahlkampf, und für die CDU sieht es schlecht aus. Von der Spendenaffäre ist sie immer noch gebeutelt, es ist nicht gelungen, Rühes magere 35% in Schleswig-Holstein als Erfolg zu verkaufen. Die Wählenden verzeihen der Partei, die immer die große Klappe in Richtung Law-and-Order schwang, ihre skandalöse Spendenpraxis nicht, sie liegt in den Umfragen weit zurück. So ähnlich, wie es vor einem Jahr in Hessen auch aussah.

Damals initiierte die CDU jene Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, in der sie auf der Straße hemmungslos die BürgerInnen "gegen Ausländer" unterschreiben ließ. Auf den Zetteln standen zwar weniger verfängliche Worte, aber die CDU gab dem deutschen Kleinbürger das Gefühl, es sei in Ordnung, gegen AusländerInnen zu sein; sie, die Partei der Einheit, sei es ja auch. Und das Spiel ging auf: die CDU gewann die Landtagswahl in Hessen, RotGrün verlor seine Bundesratsmehrheit, das überfällige neue Staatsangehörigkeitssrecht kam nicht zu Stande.

Rüttgers beschwört Ressentiments gegen Fremde

Diesen "Erfolg" will Jürgen Rüttgers in NordrheinWestfalen jetzt wiederholen. Kaum verhohlen werden Ressentiments gegen AusländerInnen beschworen: Die nehmen unseren Kindern die Arbeitsplätze weg! Das will die CDU den Leuten in die Köpfe rammen - bei 4 Millionen Arbeitslosen könne man keine AusländerInnen ins Land holen. Und am Ende brächten die noch ihre Familien mit und vermehrten sich!

Platte Argumente, die an jedem Stammtisch begeistert aufgenommen werden. Es wird nicht ansatzweise versucht zu erwähnen, dass die Ausbildung geeigneter Fachkräfte in Deutschland einige Jahre dauern würden Ewigkeiten in der schnelllebigen IT-Branche oder dass die 4 Millionen Arbeitslosen eben alles sind, aber keine IT-ExpertInnen. Differenzierung? - es ist doch Wahlkampf!

Für "Kinder statt Inder" gab es ausreichend Schelte von Opposition und Medien. Jetzt startete Rüttgers aber auch noch eine Postkarten- und Plakataktion mit dem nur unwesentlich diplomatischeren Motto "Mehr Ausbildung statt mehr Zuwanderung". Mehr Ausbildung, gerne - die Vernachlässigung der IT-Branche ist sicherlich ein Versäumnis der Bildungspolitik in der Mitte der 90er Jahre, in denen der zuständige Bundesbildungsminister - bingo - Jürgen Rüttgers hieß. Dass der damals, in der Rückbetrachtung der Gipfel der Lächerlichkeit, als "Zukunftsminister" betitelte Rüttgers heute mit einem Missstand in den Wahlkampf zieht, den er selbst maßgeblich zu verantworten hat, ist allein schon eine Frechheit sondergleichen. Und doch zielt seine Strategie nur darauf ab, aus dem gefährlichen Mix aus Arbeitsplatz- und Fremdenangst Kapital in Form von Stimmen zu schlagen. Die Botschaft, die Rüttgers streut, ist einfach: "Die nehmen uns die Arbeitsplätze weg - keine Ausländer ins Land!"

Die CDU zeigt erneut, dass es ihr nur um eins geht: um Macht. Dabei ist es vollkommen egal, ob das auf dem Rücken der ausländischen MitbürgerInnen oder des Grundgesetzes geschieht. Im Kampf um die Regierung offenbart die CDU erneut eine Skrupellosigkeit, bei der einem nur schlecht werden kann.

Die Union macht Ausländerhass in Deutschland hoffähig

Die Union macht den Ausländerhass in Deutschland hoffähig. Kochs Unterschriften, Rüttgers Postkarten, dazu noch die unverhohlenen Sympathiekundgebungen von Edmund Stoiber gegenüber der offen ausländerfeindlichen Haider-FPÖ - die Richtung ist vorgegeben. Im Moment brennen in Deutschland keine AsylbewerberInnen-Heime, aber Gewalt gegen Fremde ist immer noch vorhanden, und die latente Ausländerfeindlichkeit in den Köpfen ist nicht weniger schlimm. Im letzten Jahr ist die Anzahl rechtsextrem motivierter Straftaten um 5,4% gestiegen, davon richtete sich die Hälfte gegen AusländerInnen. Und wenn die nächste Shell-Studie wirklich eine vorhandene AusländerInnenfeindlichkeit in der Jugend aufzeigen sollte, werden die CDU-PolitikerInnen sich nicht fragen, inwieweit sie das selbst zu verantworten haben, sondern betroffen sein und dies verurteilen. Brutalstmöglich, versteht sich.

Im Interesse unserer Gesellschaft kann man nur hoffen, dass Rüttgers in Nordrhein-Westfalen eine Abfuhr erhält, die sich gewaschen hat und für immer von der politischen Bildfläche verschwindet. Deutschland braucht VerantwortungsträgerInnen - keine Brandstifter.

.

(c) lutz frommberger, mai 2000

schreibt...

heim...